Mit Herrn Jose Antonio Ureta, dem Gründer der „Fundación Roma“ in Chile, eine der einflussreichsten Organisationen im Kampf gegen Abtreibung und die Zersetzung der moralischen Werte im südamerikanischen Land, sprachen wir am Rande des VII. Forum der Konservativen in Krakau über das Thema Die Diktatur der Toleranz“.
Was kann man unter „Diktatur der Toleranz“ verstehen? Sind diese etwa nicht Begriffe, die zueinander im Widerspruch stehen?
Jose Antonio Ureta – Theoretisch betrachtet, sind sie widersprüchliche Begriffe, in der Praxis aber nicht. Dies ist eine andere Art das auszudrücken, was Papst Benedikt XVI. immer wieder als „Diktatur des Relativismus“ angeprangert hat.
Wenn man unter Toleranz versteht, daß es keine Wahrheit und keine Falschheit, kein Gutes und kein Böses gibt und daß man denken und handeln kann, wie man es beliebig will, dann gibt es keine absoluten Werte und objektiven Grenzen mehr, die für alle verbindlich sind.
Das Ergebnis davon ist, daß die Mehrheit (oder sogar eine Minderheit, die sich als „aufgeklärt“ sieht) dem Volk widernatürliche Abartigkeiten diktatorisch auferlegen kann, wie zum Beispiel Ärzten zu zwingen, Abtreibungen vorzunehmen oder von Familienvätern aufzufordern, homosexuelle Betreuer für ihre Kinder einzustellen.
Ist diese „Diktatur der Toleranz“ ein Manöver der Religionsverfolgung?
Jose Antonio Ureta – In einem seiner Bücher hat der brasilianische Denker und Aktivist Plinio Correa de Oliveira, Gründer der „Brasilianischen Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum (TFP)“ mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bösen, wenn sie in der Minderheit stehen, Freiheit für das Böse verlangen. Aber, sobald sie mehrheitlich sind oder die Mehrheit manipulieren können, dann verweigern sie den Guten das Recht, Gutes zu tun.
Der Begriff Freiheit ist für die Bösen genau das Gegenteil von dem, was der Märtyrer-Präsident von Ecuador einst gesagt hat: „Freiheit für alle und für alles, aber nicht für die Bösen und das Böse“. Ihr Motto könnte wohl lauten: „Freiheit für alle und für alles, aber nicht für das Gute und die Guten“.
Dieses Motto, dessen sie sich bedienen, wurde schon während der Französischen Revolution durch den Jakobiner Saint-Just, den „Engel des Schreckens“, ausgesprochen: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“.
Durch diesen krummen Weg mündet der Liberalismus in den Totalitarismus und in die Verfolgung ihrer ideologischen Gegner aus. Da jede Ideologie einen religiösen Hintergrund hat, ist die Folge daraus eine religiöse Verfolgung.
Wie wird der Begriff „Toleranz“ von den Medien angewandt? Was ist die Rolle, die die Medien bei dieser „Diktatur der Toleranz“ spielen?
Jose Antonio Ureta – Nach der katholischen Morallehre ist die Toleranz eine negative Akzeptanz des Bösen. Normalerweise muß das Böse bekämpft werden, aber manchmal muß man es tolerieren, um ein größeres Übel zu vermeiden oder ein höheres Gute nicht zu verhindern. Es handelt sich hier um die Anwendung auf das gesellschaftliche Leben des Gleichnisses vom Unkraut unter den Weizen. Aber diese Toleranz, richtig verstanden, verleiht dem tolerierten Bösen überhaupt kein Recht. Sobald es möglich wird, muß das Böse beseitigt werden.
Im Gegensatz dazu behauptet der relativistisch anhaftete Begriff von Toleranz, daß alle Doktrinen und Benehmen gleich sind und neben einander existieren dürfen. Und das ist bloß eine Utopie.
Die Medien spielen eine große Rolle dabei, weil sie diese relativistische Mentalität fördern, indem sie als Muster Prominenten mit „großzügigen“ Ansichten auf die Bühne bringen (wie zum Beispiel Künstler und Politiker, die für die Freigabe der Marijuana eintreten) und die Befürworter von absoluten Grundsätzen als „autoritäre“, „geschlossene“ und „obskurantisten“ Personen abstempeln.
Die Medien benutzen des öfteren Worte wie „Homophobie“ und „Islamophobie“, aber nie oder fast nie das Wort „Christenphobie“, um das Publikum auf die Christenverfolgung und -ermordung aufmerksam zu machen. Ist das nicht ein Zeichen dafür, daß die „Diktatur der Toleranz“ nur dazu da ist, um die Christen zu verfolgen?
Jose Antonio Ureta – Homophobie ist ein Ausdruckt, den ein amerikanischer Psychiater erdacht hat, um die Gegner der Homosexualität zu stigmatisieren, die temperamental und nicht wegen Prinzipien handeln würden. Es ist eine einfache Art und Weise, die Opponenten zu knebeln, ohne ihren Argumenten widerlegen zu müssen.
Das war ein erfolgreiches Manöver, dem muslimische Führer gefolgt sind. Sie prägten den Ausdruck „Islamophobie“, um diejenige zum Schweigen zu bringen, die im Westen auf die Irrtümer im Koran, auf die herrschende Ungerechtigkeit in muslimischen Ländern und auf die massive Invasion von Islamiten in die entwickelten Länder hinweisen.
Die Medien verwenden und missbrauchen solche Ausdrücke nach Belieben. Aber wenn es darum geht, die Christenverfolgung in muslimischen Ländern oder Angriffe auf das Christentum im Westen anzuprangern, schweigen sie oder im Namen der Meinungsfreiheit nehmen sie solche Angriffe in Kauf.
Gibt es Projekte und Gesetzesentwürfe in Europa, die von dieser „Diktatur der Toleranz“ beeinflußt sind?
Jose Antonio Ureta – Leider ja. In Frankreich sind katholische Apotheker dazu geszwungen, die abtreibungsfördernde „Pille danach“ zu verkaufen unter dem Vorwand, daß sie Arzneimittel wäre. Da eine große Anzahl von jungen Ärzten aus Gewissensgrund gegen die Abtreibung ist, wollen trotzdem die Feministinnen diese einführen unter dem Vorwand, sie sei nichts mehr als eine gewöhnliche ärtzliche Behandlung.
Dasselbe passiert mit dem Thema Homosexualität. Die katholischen Vermittlungstellen für Kinderadoption mußten dicht machen, weil sie gleichgeschlechtliche Paare nicht „diskriminieren“ dürfen. Pfarrgemeinde können den Saal im Pfarrhaus nicht mehr für Hochzeitsfeste vermieten (was in der Regel häufig der Fall war wegen des Vorteils, ein Fest neben der Kirche gleich nach der Vermählung zu organisieren), denn sie dürfen die Homosexuellen nicht mehr ausklammern.
In dieser Woche wurde ein Geschäftsführer einer öffentlichen Firma in England bestraft, weil er auf seine Facebook-Seite – auf die nur seine Freunde Zugang haben – die Meinung äußerte, daß Hochzeit von Homosexuellen in der Kirche eine etwa „übertriebene Gleichheit“ darstelle.
Wie kann man sich in einer intelligenten und wirksamen Weise gegen die “Diktatur der Toleranz” wehren?
José Antonio Ureta – Ich denke, daß die beste Methode ist, die öffentliche Meinung über die Christenverfolgung zu informieren. Denn wenn es keine Reaktion dagegen gibt, laufen wir Gefahr, daß bald Ähnliches bei uns passieren wird.
Und vor allem sollte man in Erinnerung bringen, daß „man erst Gott gehorchen muß als den Menschen” , wie der heilige Petrus sagte, als er wegen der Verkündigung des Evangeliums vor Gericht gebracht wurde.
Lieber jetzt Widerstand leisten als später, auch wenn man als Märtyrer stirbt oder geschämt weiterlebt als „Bürger zweiter Klasse“ – und das wäre ganz schlimm.