Lukas Leubnitz
Das Fest Christi Himmelfahrt wird beim Beten des Rosenkranzes als zweites der glorreichen Geheimnisse meditiert. Mit Seiner Fahrt gen Himmel schließt Unser Heiland Sein Wirken auf dieser Welt ab. Seine Mission auf dieser Erde ist beendet und setzt sich im Himmel fort. So gesehen ist Christi Himmelfahrt die Vollendung des Wirkens Jesu Christi auf Erden um danach über Seine Kirche zu wirken, wozu Er den Heiligen Geist an Pfingsten aussendet, was Inhalt der darauf folgenden Rosenkranz-Meditation ist.
Das interessante bzw. das komplexe an Himmelfahrt ist, dass es widersprüchliche Affekte und Emotionen auslöst.
An Karfreitag (sollte) überwiegen die Trauer und die Reue über die eigenen Sünden, Weihnachten ist gekennzeichnet durch die Freude um die Geburt Christi und die Erneuerung der Welt durch die Ankunft des Messias.
Christi Himmelfahrt ist komplexer, weil dieses Fest eine Schnittstelle in der Heilsgeschichte markiert. Während das Leben des Heilandes auf dieser Welt ein Ende nimmt beginnt das Wirken der Apostel.
Versuchen wir uns die Stimmung der Apostel zu vergegenwärtigen, als sie vom Abendmahlssaal auf dem Berg Zion, gelegen auf dem südlichen Zipfel des alten Jerusalem, in das Tal Kidron hinabgingen, um von dort über den mittleren Ölbergweg zur Ebene über dem Garten Getsemani zu gelangen.
Die Apostel waren sich bewusst, dass sie die letzten Minuten mit ihrem Meister zusammen waren und sie Ihn vor ihrem eigenen Tod nicht mehr wieder sehen würden. Man muss bedenken, was das bedeutet für jemanden, der drei Jahre lang neben Jesus Christus gelebt hat und Seine Güte, Seine Barmherzigkeit, Seine Weisheit, Seine Geduld, Seine Liebe erfahren hat. Der Abschied eines geliebten Menschen fällt immer schwer, aber wie schwer muss das für jemanden sein, der sich täglich mit Unserm Herrn unterhalten hat, Ihm bei jedem Zweifel um Rat fragen konnte, der immer mit Seinem Trost rechnen konnte, der ihm Sicherheit, Geborgenheit und Schutz gab. Man kann sich kaum vorstellen, dass der Gang hoch auf den Ölberg nicht von einer gewissen Melancholie und Nostalgie geprägt waren.
Während der Himmelfahrt selbst müssen die Apostel überwältigt gewesen sein und das Geschehen voller Bewunderung und Freude betrachtet haben: Ein weiterer Beweis der Göttlichkeit ihres Meisters, ein weiteres Zeichen für Seinen Sieg über die Welt und die Sünde und für Seinen Triumph, der ewig währen wird.
In diese Freude mischte sich die Sorge über die Erfüllung des Auftrages, den der Heiland den Apostel kurz zuvor gegeben hatte: „Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16, 15)
Nach der Himmelfahrt ihres Herrn sind die Apostel meistens im Abendmahlssaal verblieben. Sie haben sicherlich darüber nachgedacht, wie sie diesen Auftrag erfüllen sollten. Sie, zwölf Juden, sollten der ganzen Welt das Evangelium verkündigen. Und das außerdem noch ohne ihren Meister! Es ist zwar richtig, dass Jesus Christus ihnen das Herabkommen des Heiligen Geistes angekündigt hatte, doch sie konnten noch keine konkrete Vorstellung haben, was das bedeutet und inwiefern das die Erfüllung ihres Mandats unterstützen sollte.
So blieben sie umringt von denjenigen, die wenige Wochen zuvor ihren Meister ans Kreuz geschlagen hatten und noch dazu mit einer Mission beauftragt, die schier unmöglich zu erfüllen schien.
In dieser Situation erhält die Muttergottes eine entscheidende Funktion: Der Tradition nach – und auch gemäß Visionen wie der von Maria von Agreda – war sie es, die den verängstigten Aposteln Zuversicht und Hoffnung vermittelte. Sie bestärkte sie im Glauben, sie gab ihnen Trost.
Wir leben heute in einer Situation, die der der Apostel in der Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten sehr ähnelt: Wir beobachten eine Krise des Glaubens, der Familie, der Sitten und der Moral und trotzdem möchten wir die Botschaft Christi überall hinbringen, spüren aber dann umso mehr unsere Schwäche und unsere bescheidenen Mittel.
Doch folgen wir dem Beispiel der Apostel und legen wir all unser Vertrauen in die Muttergottes, denn sie wird alle Hindernisse überwinden und beten wir immerfort, dass der Heilige Geist die gegenwärtige Krise überwindet und der Menschheit eine neue Blütezeit des Glaubens schenken möge: „Sendest Du Deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und Du erneuerst das Antlitz der Erde“ – „Emitte spiritum tuum, et creabuntur, et renovabis faciem terrae“ (Psalm 104, 30).