Lange Zeit hatte die Kirche still gehalten und Milde walten lassen, doch zur Mitte des 19. Jahrhunderts war ihre Geduld zu Ende. „Mutter Kirche“ ging zum Gegenangriff gegen die karnevalistischen „Lustbarkeiten“ und Ausschweifungen der Narren über. Ihre erfolgreiche Waffe: das Vierzigstündige Gebet.

„Die so genannten Fastnachtstage waren seit langen Zeiten an vielen Orten Saufgelage erster Klasse. Wer würde es geglaubt haben, wenn man vor 20 Jahren jemanden gesagt hätte: Diese Tage werden bald die ersten Bettage werden“, notierte 1854 der Pfarrer der Gemeinde St. Peter und Paul in Nienborg (heute Heek, Kreis Borken) in sein Dienstjournal.

Alkohol-Exzesse, Tanz-Veranstaltungen und „der vertrauliche Umgang mit dem anderen Geschlecht“, sieht der Volkskundler Dr. Peter Höher von der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe als Gründe für das Gegensteuern der Kirche. Für ihn eine „Kampfansage“: himmlische Freuden oder ewige Verdammnis.

Vor allem im Bistum Münster nutzte man das schon seit dem 16. Jahrhundert bekannte Vierzigstündige Gebet, um so die Menschen weg vom Laster und hin zur Tugend zu führen. Ursprünglich erinnerte das Gebet an die Grabesruhe Christi, die der Legende nach 40 Stunden gedauert haben soll. Gehalten wurde die Gebetswache zu Anfang in der Karwoche. Später wurde diese Frömmigkeitsform auch eingesetzt in Kriegs- und Notzeiten.
 

Im Bistum Münster nutzte man das schon seit dem 16. Jahrhundert bekannte Vierzigstündige Gebet, um so die Menschen weg vom Laster des Karnevals und hin zur Tugend zu führen.

Nun war es im 19. Jahrhundert eine Sühneandacht geworden – und das sehr erfolgreich, so dass den ersten Pfarrern, die es in 1840er Jahren eingeführt hatten, sehr schnell weitere folgten und begeistert von Erfolgen berichteten. Endlich sei die Bereitschaft vorhanden, „den so fest eingewurzelten und verwachsenen Unfug, wie der tolle Fastnachtstrubel ist“, aufzugeben, wie das „Sonntagsblatt für katholische Christen“ 1855 schrieb.

Bauerschaften, Schulen und fromme Vereine wie die Sodalitäten wechselten sich ab in der Anbetung des „Allerheiligsten“ in der Monstranz. „Die Beichtstühle waren bis tief in die Nacht umlagert, und einen eigenthümlichen Eindruck gewährte es, jetzt heilige Lieder und laute Gebete … auf den Straßen erschallen zu hören, wo früher ganz andere Gesänge ertönten“, heißt es in einem Bericht aus dem westmünsterländischen Rhede.

Doch in einigen Orten hatte die Geistlichkeit die Rechnung ohne die gewitzten Narren (und Gastwirte) gemacht: Diese legten einfach die Fastnacht vor, so dass noch heute in einigen Orten des Münsterlandes der Karneval früher gefeiert wird, wie etwa der große Ziegenbocksmontag-Umzug im münsterschen Stadtteil Wolbeck eine Woche vor dem Rosenmontag.

Was ist davon geblieben? Bis weit ins 20. Jahrhundert hielt sich diese Tradition, konnte aber letztlich (doch) nichts gegen das Karnevalstreiben dauerhaft ausrichten. Vereinzelt wird noch heute an den „tollen Tagen“ das Gebet der 40 Stunden gehalten. Vielfach ist es verlegt worden, nicht selten auf die Tage vor dem ersten Fastensonntag als Einstimmung auf die Österliche Bußzeit.

Quelle: Kirchenseite des Bistums Münster

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert