Francesco Scaramuzza: Teufel in der Hölle. Gemnein frei, Wikimedia Commons

von Michael Rieger


Jede Zeit findet ihre Formen, um über den Teufel nachzudenken. So brandmarkte der katholische Staatsrechtler Carl Ludwig von Haller (1768-1854) die Verwirrungen seines Zeitalters unter dem Titel Satan und die Revolution, wie man hier nachlesen kann. 1968 nahmen die Rolling Stones Sympathy for the Devil auf, ein Stück, in dem der Teufel selbst zur Sprache kommt und jene Untaten preist, zu denen er die Menschen angestiftet hat, wie die Oktoberrevolution und die Ermordung der Kennedys, und natürlich zog der Teufel auch im Zweiten Weltkrieg seine Fäden: „I rode a tank/Held a general’s rank/When the blitzkrieg raged/And the bodies stank.” In der Übersetzung: „Ich fuhr einen Panzer, ich stand im Rang eines Generals, als der Blitzkrieg tobte und die Leichen zum Himmel stanken.“


Unter dem Eindruck eben des Zweiten Weltkriegs machte sich der Schweizer Autor Denis de Rougemont (1906-85), durchaus verwandt, gleichwohl etwas tiefsinniger seine Gedanken über den Anteil des Teufels (La part du diable von 1942). Der größte Triumph des Teufels sei es, so de Rougemont, uns erfolgreich glauben zu machen, dass es ihn gar nicht gebe. Das groteske Bild des gehörnten, grinsenden, hinkenden Teufels sei eine geschickte Karikatur, über die man nur noch laut lachen könne – doch aufgepasst: „Satan verbirgt sich hinter seinem eigenen Bilde.“


Vor diesem Hintergrund kommt de Rougemont dann auch auf die Theologen zu sprechen. Stammt der Text auch bereits aus dem Jahr 1942, fühlt man sich gleich an die aktuelle Malaise erinnert. Die Theologie – „ich kenne keine Beschäftigung, die in unserem Jahrhundert mehr in Verruf gebracht wurde, wenige Worte, die unsere Zeitgenossen weniger ansprechen“. Die Theologie sei auf den Hund gekommen, niemand interessiere sich für sie und niemand hätte noch irgendeine Ahnung, die theologische Bildung gehöre der Vergangenheit an. Aber das hat Konsequenzen: „Die Theologie ignorieren, heißt mit der fruchtbarsten Tradition der abendländischen Kultur brechen“ und vor allem stelle dieser Bildungsverlust einen „der bedeutendsten Vorteile der neuen Barbarei“ dar. Der Teufel sei über diese Unbildung geradezu „entzückt“, denn „unsere Unbildung gibt ihm eine unverhoffte Chance“. 


Eine Chance, uns weiter zu verwirren und zu verführen. Strömungen, wie der antike Pelagianismus, der die Erbsünde leugnet, oder mystisch-gnostische Tendenzen, die den Menschen einredeten, sie könnten (nach Genesis 3,5) selbst sein wie Gott, seien „wahrscheinlich satanischen Ursprungs“. Bis heute wirken sie nach: „Unter fast bis zur Unkenntlichkeit vulgarisierten Formen triumphieren diese (…) Häresien in der gegenwärtigen Epoche“, die sie auch noch für „erregende Neuerungen“ hält. „Ohne Zweifel aber sind sie weniger deprimierend als das Vorurteil des modernen Menschen, der nichts von der Theologie weiß, sie entbehren zu können glaubt, es aber nicht unterlässt, unbewusst welche zu machen – und zwar von der schlechtesten Art –, wenn er ‚Gott besser im Walde anbetet als in der Kirche‘, wenn er behauptet, sich ‚auf seine Vernunft‘ (blindlings) zu verlassen, oder wenn er sich damit begnügt, ‚Gutes zu tun‘…“. 


Diese Zeilen werden täglich neu bestätigt. Wir sind konfrontiert mit einer unglaublichen Ignoranz gegenüber der Theologie und dem in ihr überlieferten Wissen. Der theologische Bildungsverlust ist geradezu bodenlos geworden. Abseits davon belegen privat zusammengebastelte Glaubensreste nicht nur die Unbildung und die Bequemlichkeit, ja den unendlichen Phlegmatismus des Denkens, sie sind vor allem Ausdruck eines großen Missverständnisses, nämlich eines ganz und gar subjektiv gewordenen Glaubensbegriffs, der mit seinen ursprünglichen Inhalten nichts mehr zu tun hat.


Nehmen wir de Rougemonts Worte ernst. Wenn wir nicht zusehen wollen, wie die sich anbahnende „neue Barbarei“ triumphiert, muss dieser Bildungs- und Kulturverlust überwunden werden.   

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