Johann
Gabriel Seidl
Carl Loewe op. 123 Nr. 3, ED 1830
Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir;
Wieviel es geschlagen habe, genau seh ich’s an ihr.
Es ist ein großer Meister, der künstlich ihr Werk
gefügt,
Wenngleich ihr Gang nicht immer dem törichten Wunsche
genügt.
Ich wollte, sie wäre rascher gegangen an manchen Tag;
Ich wollte, sie hätte manchmal verzögert den raschen
Schlag,
In meinen Leiden und Freuden, in Sturm und in der Ruh‘,
Was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.
Sie schlug am Sarge des Vaters, sie schlug an des
Freundes Bahr‘,
Sie schlug a Morgen der Liebe, sie schlug am Traualtar.
Sie schlug an der Wiege des Kindes, sie schlägt, will’s
Gott, noch oft,
Wenn bessere Tage kommen, wie meine Seele es hofft.
Und ward sie auch einmal träger, und drohte zu stocken
ihr Lauf,
So zog der Meister immer großmütig sie wieder auf.
Doch stände sie einmal stille, dann wär’s um sie
gescheh’n,
Kein and’rer, als der sie fügte, bringt die Zerstörte
zum Geh’n.
Dann müsste ich zum Meister Wandern, der wohnt am Ende
wohl weit,
Wohl draußen, jenseits der Erde, wohl dort in der
Ewigkeit!
Dann gäb ich sie ihm zurück mit dankbar kindlichen
Fleh’n:
Sieh, Herr, ich hab nichts verdorben, sie blieb von
selber steh’n.
Quelle: Dienst am Glauben –
Heft 3 – Juli-September 2014

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