Foto: Erzbistum München-Freising |
von Michael Rieger
Kardinal Marx hat folgendes zu Protokoll gegeben: Vom Begriff des „christlichen Abendlands“ halte er nicht viel. Und er geht offensichtlich davon aus, dass es uns zu interessieren hat, wovon er viel oder wenig hält. Der Begriff sei „ausgrenzend“ (vgl. katholisch.de, 11. Januar 2019), er tauge nicht angesichts der Herausforderung, vor der Europa stehe, nämlich angesichts des friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Religionen.
Da hat der Dampfplauderer Marx mal wieder auf den Tisch gehauen und vor allem eine Menge… Dampf produziert. Er redet halt gern und viel und hört sich auch gern und viel reden und er mag es, wenn die Leute ihn gern und viel reden hören mögen. Daher war es sehr erfreulich, als Oliver Maksan ein wenig von diesem Dampf, von dieser heißen Luft weggepustet hat und darauf hinwies, dass die Begriffskonstruktion „christliches Abendland“ eine Tautologie ist (vgl. Die Tagespost, 17. Januar 2019). Das ist in etwa so, als würde man von einem katholischen Papst sprechen.
Das Abendland ist per definitionem christlich. Daran lässt sich nicht viel ändern, auch wenn man davon vielleicht nicht viel hält. Das Judentum hat seinen großartigen Anteil an der europäisch-abendländischen Kultur, also eine nicht-christliche Religion; Rationalismus und Aufklärung haben, ob wir es wollen oder nicht, unser aller Denken mitgeprägt, also eine im Kern auch antichristliche Philosophie. Das ist alles unstrittig. Und dennoch dreht sich in der Geschichte des Abendlands, so oder so, alles um das Christliche, es darf, so Maksan, „als die Klammer aller anderen Einflüsse gelten“. Man könnte auch sagen, das Christentum ist das Vokabular, die Grammatik und die Orthographie des Abendlands. Benedikt XVI. sprach vom Christentum als der „Seele Europas“.
Als Oswald Spengler den Untergang des Abendlands prognostizierte, hatte er jenes zwangsläufige Absterben einer erschöpften Kultur im Sinn. Vielleicht ist Dampfplauderer Marx das beste Beispiel dafür. Politisch korrekt, also in völliger historischer Bewusstlosigkeit, weist seine Eminenz die fundamentale abendländische Selbstverständlichkeit seiner eigenen christlichen Existenzform zurück – ein Beispiel der Selbstaufgabe. Wenn ein Kardinal es für „ausgrenzend“ befindet, die abendländische Geschichte und Kultur als unbedingt christlich zu bezeichnen, dann ist dies gewiss ein wenig attraktives Signal angesichts leerer Kirchen. Wer nicht mehr weiß, wer er ist und woher er kommt, der hat auch anderen nichts mehr mitzuteilen.
Europa bräuchte Kardinäle, die um unsere Wurzeln wissen und mit Leidenschaft auf eben diese unsere Wurzeln hinweisen, auf die besondere Bedeutung des Christlichen in der Welt. Stattdessen erleben wir einen Kardinal, der das „christliche Abendland“ abschafft.
Herr, erbarme Dich unser.