In Walldürn im Odenwald – 20 km südlich des Main bei Miltenberg – verehrt man in der Wallfahrtskirche über dem Altar des Kostbares Blutes in einem silbernen Schrein ein uraltes Korporale, das ist ein Leinentüchlein von der Größe einer Serviette, wie es noch heute bei der heiligen Messe als Unterlage für Kelch und Hostie benutzt wird.

Der Priester Heinrich Otto, so erzählt man sich in Walldürn, stieß um das Jahr 1330 bei der Feier des heiligen Opfers nach der heiligen Wandlung unvorsichtig den Kelch um; das ausfließende Kostbare Blut des Heilandes in der Gestalt des Weines zeichnete auf dem Korporale das Bild Christi blutigrot, mit ausgebreiteten Armen, wie wenn er am Kreuz hinge. Heinrich Otto aber verbarg voll Schrecken das Leinentuch unter der Altarplatte. Erst kurz vor seinem Tode bekannte er seine Nachlässigkeit und gab das Geheimnis des „blutigen Korporales“ preis, dessen Verehrung von Gott im Laufe der Jahrunderte durch viele Wunder ausgezeichnet wurde.

Mag es auch schwierig sein, den geschichtlichen Kern dieser Erzählung von späterem Beiwerk zu trennen, Tatsache ist dies:

Als man im Jahre 1445 das Tuch nach Rom brachte und Papst Eugen IV. seine fromme Verehrung mit einem Ablaß belohnte, war das heute längst verblichene Bild des gekreuzigten Heilandes noch darauf zu sehen, wie die noch vorhandene Ablaßurkunde ausweist. Außerdem erwähnt dieses päpstliche Schreiben „einige Veroniken“, d.h. Abdrücke des heiligen Antlitzes unseres Heilandes, die die Gestalt des Gekreuzigten auf dem Korporale umgeben.

Um das Jahr 1920 wurde ein weißes Schutztuch aus Leinen hinter dem Korporale befestigt. Als man nun am 23. März 1950 das Schutztuch mit einer Quarzlampenbestrahlung untersuchte, wurde auf ihm eine Vergilbung sichtbar, die das Bild des gekreuzigten Heilandes umriß. Fachleute sind der Ansicht, die Gestalt des im Gewebe des Korporales vor Jahrhunderten vertrockneten Weines habe das Durchströmen des Lichtes so behindert, daß im Laufe von drei Jahrzehnten sich diese Aufsehen erregenden Vergilbungsumrisse auf dem Schutztuche abzeichnen konnten.

Seit den notvollen Tagen des 30jährigen Krieges ziehen Wallfahrer aus dem Kölner Raum über den Westerwald, den Taunus und durch das Maintal 300 km weit zum Heiligtum des Kostbaren Blutes im Odenwald.

In Porz-Urbach gehen alljährlich am Dienstag nach Pfingsten 30 bis 40 Fußpilger auf die weite Reise, deren Zahl unterwegs auf das Drei- bis Vierfache ansteigt. Sie danken für die freundliche Hilfe, die sie allenthalben auf dem Wege finden; für die Nachtruhe, die man ihnen in Uckerath, Herschbach/Uw., Elz, in Glashütten und Schloß Born, in Froschhausen und Obernburg gewährt. Am Montag nach Dreifaltigkeit halten sie in Walldürn mit brennenden Kerzen in der Abenddämmerung ergreifenden Einzug.

Bei der Leitung und Durchführung der Wallfahrt steht dem Pfarrer von Urbach die Bruderschaft vom Kostbaren Blut tatkräftig zur Seite. Mit ihrer Hilfe konnte 1963 in der Pfarrkirche zu Urbach ein Farbfenster eingesetzt werden, in dem Paul Weigmann das Walldürnmotiv zu eindrucksvoller künstlerischer Aussage gestaltet:

Aus dem Kelch des heiligen Meßopfers tritt Christus, mit seinem Blute Genugtuung leistend, sieghaft in die Zeit hinein, die bedroht ist von den Mächten der Finsternis. Wie ehedem in das Schweißtuch der Veronika, möchte er auch in unsere Herzen als verklärter Leidenskönig sein Antlitz einprägen, die wir seinen Opferaltar umstehen, damit wir als Pilger und Fremdlinge in seiner Gesinnung eine Welt überwinden, die im argen liegt.
B. Spilles, Pfarrer

Quelle: Andenken an die Kölner Pilgerfahrt zum Heiligen Blut von Porz-Urbach nach Walldürn. „Den Pilgern, Freunden und Wohltätern der Wallfahrt gewidmet von der Bruderschaft vom Kostbaren Blut in Porz-Urbach.“ (entnommen aus Germania Catholica)

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