Berthold Furtmeyr, „Baum des Lebens und des Todes“,
Salzburger Missale, 15. Jahrhundert, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei.
Flecte ramos, arbor alta,
Tensa laxa víscera,
Et rigor lentéscat ille,
Quem dedit natívitas:
Ut supérni membra Regis
Tende miti stípite.
 
Neige, hoher Baum, die Äste,
Deine Fasern beug‘ erschlafft;
Deine Härte soll verschwinden.
Die der Ursprung dir verschafft;
Deines hohen Königs Glieder
Spanne aus auf zartem Schaft.
 
(Aus: Anselm Schott OSB, Das Meßbuch der heiligen Kirche, Freiburg i.B. 1943/47, S. 337.)

Gestalt und Entwicklung des Baumes sind dem Menschen vertraut: Er wurzelt in der Erde, wächst dem Himmel entgegen, grünt, blüht und fruchtet. Das Kreuzesholz, an dem Jesu im menschlichen Sterben den Tod auf göttliche Weise überwindet, ist der Baum des Lebens schlechthin. Exemplarisch steht ihm der schlangenumschlungene Baum des Sündenfalls gegenüber, wovon der Tod seinen Ausgang nahm.
In einem Präfationsgebet heißt es, im Ton des vertrauensvollen Du an Gott gerichtet: „Du hast das Heil der Welt auf das Holz des Kreuzes gegründet. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. Der Feind, der am Holz gesiegt hat, wurde auch am Holze besiegt durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Der niedergerungene Feind ist die zertretene Schlange – ein leidensvoller Triumph über den Teufel.
Im Evangelium kündet der göttliche Heiland seinen Tod am Kreuze an und verspricht, dass er vom Kreuze aus alles an sich ziehen werde. „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ (Gal 6.14)
 
Als Kaiser Konstantin den Bau der Grabeskirche in Jerusalem am Berg Golgatha in Auftrag gab, soll der Legende nach durch Kaiserin Helena das Kreuz Christi aufgefunden worden sein. In der ersten feierlichen Messe in der Basilika am 14. September 335 n. Chr. wurde das Kreuzesholz erstmals vor aller Augen weithin sichtbar gezeigt und hochgehalten – also „erhöht“ und zur Verehrung dargereicht.
 
Als im frühen 7. Jahrhundert Jerusalem durch die persischen Sasaniden besetzt und das Kreuzesholz als Kriegsbeute in deren Hauptstadt verschleppt wurde, war es der byzantinische Kaiser Herakleios, der mit viel Geschick und noch mehr Wagemut Jerusalem und große Teile der verlorenen Gebiete von den Sasaniden zurückeroberte – und auch das Kreuzesholz als wichtigste Reliquie der Christenheit nach Jerusalem zurückholte. Das war im Jahre 630 n. Chr., als Mohammeds dschihadistischer Siegeszug von der arabischen Halbinsel begann und der Islam sich im Orient immer mehr ausbreitete. 637 n. Chr. war bereits Jerusalem Teil des neuen Islamischen Reiches. Doch das Kreuz wurde gerettet – und das Fest Kreuzerhöhung avancierte zu einem Staatsfeiertag im ganzen byzantinischen Reich.
Seien wir wachsam, wenn sich in unseren Baum des Lebens unversehens Sünde und Tod einnisten! Lasst uns die Schlange, wenn sie sich verführerisch anzuschmiegen versucht, lieber zertreten, als ihr die Möglichkeit zu geben, uns zu umschlingen und das Gute in uns abzuwürgen! Jesu Leiden und Durchhaltevermögen am Kreuze, seine Kraft, der Versuchung zu widerstehen, seien uns Vorbild – heute am Tage der Kreuzeserhöhung! So wandelt sich jede Niederlage in einen Sieg!

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