Heute feiern wir das Fest des Heiligsten Herzen Jesu, das in engem Zusammenhang mit dem Christkönigsfest, dem Unbefleckten Herzen Mariens und Mariakönigin steht.
Das Fest des Heiligsten Herzen Jesu gilt der Verehrung des physischen Herzen Unseres Herrn Jesus Christus. Das Herz ist das Symbol der Seele Christi und verkörpert das, wsa wir als die Mentalität oder die Psychologie Unseres Herrn bezeichnen können.
Es ist also ein Fest, wo wir die göttliche und unergründlich vollkommene, einzigartige Persönlichkeit Unseres Herrn feiern. Seine Persönlichkeit umfasst als Mensch und Gott, als zweite Person der Dreifaltigkeit, die Eigenschaften aller Engel und aller Menschen seit den Anfängen der Schöpfung bis zum Ende der Zeiten. Das ist es, was wir eigentlich anbeten, wenn wir das Herz Unseres Herrn verehren.
Durch eine andere Symbolik verführt, haben die Menschen das Herz einzig als den Inbegriff der Liebe verstanden – als einer Liebe allerdings im verkommenen sentimentalen Sinne, wie sie im 19. Jahrhundert verstanden wurde: reduziert auf rein zärtliche Zuneigung und das Seelengefühl.
Sicherlich besitzt Unser Herr als Mensch eine erhabene Zärtlichkeit, so wie er als Gott eine unendliche Zärtlichkeit hat. Es ist aber nicht in erster Linie seine Zärtlichkeit, die wir am Herz-Jesu-Fest anbeten. Natürlich ist sie anbetungswürdig, aber die Persönlichkeit Jesu erschöpft sich eben nicht nur in Zärtlichkeit. Sie weist einen viel größeren Reichtum an Eigenschaften auf, als wir uns vorstellen können. Unseren Herrn zeichnet zwar eine ausgewogene und einsichtige Zärtlichkeit aus, aber in der Hierarchie der Tugenden für den Menschen hat die Zärtlichkeit bestimmt nicht den höchsten Wert.
In einer Hinsicht hatte die romantische Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts die Zärtlichkeit des Heiligsten Herzens mit Recht hervorgehoben: bei der Betonung der Barmherzigkeit. Es ist die Güte, die Fähigkeit zu vergeben und über die Sünden hinwegzusehen, zu lieben und immer neue Gnaden zu verleihen. Insofern hatte die Zärtlichkeit etwas völlig Legitimes an sich. Der Fehler aber war, dass man sich fast ausschließlich auf die menschliche Zärtlichkeit fixierte.
Trotzdem vollzog sich im 19. Jahrhundert endlich eine Entwicklung, die die größte Verbreitung der Herz-Jesu-Verehrung, und zwar weltweit, mit sich brachte. Vor der Französischen Revolution war es fast ausschließlich eine heimliche Frömmigkeit. Der hl. Johannes Eudes und die hl. Margareta Maria taten viel, um die Verehrung zu verbreiten. Doch sie wurde für eine sehr verwegene Andacht gehalten, die in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts nur schwer Verständnis fand. So wollte der Sohn des französischen Königs Ludwig XV. in der Kapelle des Schlosses von Versailles einen Herz-Jesu-Altar errichten, hatte dann aber keinen Mut zur Durchführung. Er brachte es nur soweit, eine Herz-Jesu-Statue hinter dem Hochaltar anzubringen, wo sie sich übrigens noch heute befindet. Daran sieht man die Mischung aus wahrer Frömmigkeit und Heimlichkeit, mit der diese Andacht damals behaftet war.
Im 19. Jahrhundert war der Geist ein anderer: Es war das Jahrhundert der Rückeroberung der Welt durch Unseren Herrn Jesus Christus, der sich am Mariendogma ebenso festmachen ließ wie am Aufblühen der Eucharistischen Andacht, an der Verehrung des Papsttums und der ultramontanistischen Bewegung. Dies alles ereignete sich im Gleichschritt mit der Ausbreitung der Herz-Jesu-Verehrung.
Der Zusammenhang zwischen dem aufblühenden Katholizismus und der Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu könnte man so darstellen: Im Hinblick auf die Barmherzigkeit, die Güte und die Vergebung straft Unser Herr die Menschen nicht mit dem Maß, das sie verdient hätten, sondern er tut ihnen stattdessen etwas Gutes, das sich eigentlich nicht verdient haben. Er will durch seine Barmherzigkeit und durch einen Überfluss an Gnaden, selbst wenn diese nicht mehr angenommen werden, eine aufständische Menschheit zurückerobern. So sehen wir, wie er Schritt für Schritt die Welt erobert.
Im 20. Jahrhundert kamen die Schneestürme des Progressismus und des Modernismus, die ungestraft über die Welt hereinbrachen, obgleich sie von Papst Pius X. formell verurteilt wurden. Von da an vernehmen wir keine großen Frömmigkeitsbewegungen mehr. Aber: Das Heiligste Herz Jesu ist eine unversiegbare Quelle von Gnaden, die durch das Unbefleckte Herz Mariens, den Kanal aller Gnaden, fließt, und die Menschheit überschwemmt, um sie zurückzuerobern.
Quelle: Plinio Corrêa de Oliveira, Die Herz-Jesu-Verehrung. Betrachtungen und Kommentare, Frankfurt am Main 2015, S. 46-51.