Der Abt Suger (1081 – 1151) war von 1122 bis zu seinem Tod Abt von Saint Denis (Frankreich).
Er war ein geschickter Diplomat und Berater im Dienste der Könige Ludwig VI. und Ludwig VII. sowie Reichsverweser während des zweiten Kreuzzugs. Er wird als „Vater der französischen Monarchie“ bezeichnet.
Auf Suger geht eine philosophische Rechtfertigung des Lebens und der Kunst, besonders aber der Leistungen der Baukunst zurück. Die Gefühle des Mittelalters ausdrückend, betrachtete er diese Kulturdenkmale als Werke der Theologie.
Abt Sugar war ein großer Theologe und Dichter sowie Schutzherr der Künste und Gestalter des Gottesdienstes. Ausgehend von der richtig verstandenen materiellen Schönheit predigte er den Weg des Aufstiegs der Seele bis zur Versenkung in die göttlichen Dinge.
Bewundernswert war sein Einfluss auf die Architektur der Gotik, vor allem in Anbetracht der Einführung herrlicher Neuerungen bei der Gestaltung der Abteikirche von Saint Denis.
Diese Basilika gilt als die Grablege der Könige von Frankreich und erhebt sich bis heute in der Nähe des Stadtzentrums von Paris.
Er schrieb einmal: „Was die Schönheit der Altargefäße angeht, sind wir der Meinung, dass sie kunstvoll anzufertigen sind, auf dass ihr edles Äußeres der Würde entspreche, mit der wir sie während des heiligen Messopfers benutzen.
Denn in ausnahmslos allen Dingen müssen wir dem Erlöser so vollkommen wie möglich dienen, sei es im Bereich des Materiellen, sei es im geistigen Bereich.
Aus diesem Grunde kann man sagen, dass es nichts gibt, was kostbar genug, schön genug oder prachtvoll genug wäre, um die heiligen Gestalten von Brot und Wein aufzunehmen.
Im Alten Testament benutzten die Juden Gefäße und Geräte aus Gold, um das Blut von geopferten Böcken, Rehen und Kühen aufzufangen.
Sollten dann nicht auch die Christen mit Edelsteinen die goldenen Kelche schmücken dürfen, die das Blut Christi enthalten?
Mit noch mehr Recht sollte die Schönheit des Gotteshauses den Gläubigen einen Vorgeschmack auf den Himmel geben.
Der Anblick der Schönheit bunter Perlen hat mich oft von den Sorgen des materiellen Lebens befreit und meine Seele durch das Vergnügen an ihrem sinnlich wahrnehmbaren Glanz zur Betrachtung der verschiedenen Tugenden erhoben, deren Sinnbild sie sind.
Diese Betrachtung gab mir die Illusion, dass ich mich sozusagen auf einer fremden Erde befand,die keineswegs der morastigen Erde dieser niederen Welt entsprach und doch noch nicht das reine Gebiet des Himmels war.
Ebenso will es mir scheinen, dass die Freude an der materiellen Schönheit es uns mit Gottes Hilfe ermöglicht, uns auf dem Weg der Anagoge (Hinaufführung der Seelen zur Anschauung der göttlichen Dinge, Ekstase, Verzückung, Entrückung) zum geistigen Genuss der äußersten Schönheit emporgehoben zu fühlen.
(Quellenangabe: Edgar de Bruyne, Le conflit des esthétiques, Albin Michel, Paris 1998, S. 143)