Die „Heilige Kuh“ am Kreuz als Christus-Ersatz.

Wie postmoderne Installationskunst Blasphemie immer salonfähiger macht. 




Hercks „Heilige Kuh“.
Eines von vielen Beispielen für die falsche Überhöhung des Tiers zur Person.
Es war einmal das Bestreben in der Kunst, sich nach den Idealen des „Schönen, Wahren und Guten“ auszurichten. Das ist lange her. Spätestens seit Marcel Duchamps „Fontäne“ von 1917 – einem weißen Urinal, das am Beckenrand einen Schriftzug in schwarzer Lackfarbe trägt -, bedeutet moderne Kunst, dass das Hässliche, Profane und auch das Böse zu Leitprinzipien des Künstlers in der Darstellung geworden sind.
 
Ein Beispiel dafür ist der 1984 geborene Belgier Tom Herck. Er selbst bezeichnet sich als „Künstler“ aus der „nicht autorisierten Graffiti-Kultur“. Als eher stereotyper Rebell inszeniert er sich auf seiner Homepage, wenn er seine offen zur Schau gestellte Brust zeigt. Darauf prangen übergroße, aber aufschlussreiche Tätowierungen und drücken wohl so etwas wie die Privatreligion Hercks aus: Das Zentrum bei den Hautbemalungen bilden drei ineinander verschachtelte Symbole. Sie weisen auf eine gnostische, vielleicht auch auf eine satanische Bedeutung hin: etwa das Dreieck, das mit der Spitze nach unten zeigt und in dieser Aufmachung das Element Wasser versinnbildlichen soll; oder die Acht, die in ihrer schlaufenartigen Windung an die sich in den Schwanz beißende Schlange gemahnt. Um diese Symbole herumgruppiert sind, wie Wächter, zwei Rabenkrähen. Sie rufen in Anzahl und Ausgestaltung die Assoziation der beiden Odinsraben „Hugin“ und Munin“ aus der heidnischen Germanenmythologie wach. Oberhalb dieser Szenerie steht in ausgreifenden Lettern der Schriftzug „Memento mori“ („Bedenke, dass du sterben musst“) – „Herck“ unterhalb davon in Großbuchstaben. 
Der Teufel steckt im Detail künstlerischer Selbstinszenierung – Tom Herck. 
Seit Anfang November nun stellt Herck in der Dorfkirche von Kuttekoven bei Borgloon eine Installation aus. Die Kirche in dem ostbelgischen Dorf ist zwar aufgelassen, aber noch nicht profaniert. Und Hercks Installation hat es in sich: Es handelt sich um eine ans Kreuz genagelte Kuh. Davor befindet sich ein Bassin, das mit Milch aufgefüllt ist. Herck nennt sein Werk, einen in weißem Silikon getränkten Rinderkadaver, „Heilige Kuh“. Damit legt er es wohl bewusst auf die Provokation an, „heilige Kühe zu schlachten“. Auffällig ist allerdings, dass Künstler mit gesellschaftskritischem Anspruch wie Herck stets Kirchen, nie Moscheen für solche Aktionen auswählen. Eine behördliche Genehmigung für seine Aktion soll vorliegen.
 
Friedlicher Protest vor der Kirche gegen die blasphemische Kunstaktion. 
 
Dass es noch Katholiken gibt, die dagegen demonstrieren, ist ein gutes Zeichen. Sie sind darüber zurecht aufgebracht und sehen sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Sie bezeichnen die Aktion als „satanisch und geschmacklos“. Ferner ist aus den Reihen des belgischen Katholiken-Forums Kritik laut geworden – auch am Bistum Hasselt, das Hercks Kunstwerk zwar als „unwürdig“ tituliert, aber von einem Einschreiten bislang abgesehen hat. Herck derweil fühlt sich missverstanden. Er habe mit seinem anstößigen Werk nur auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam machen wollen. Allerdings lässt Tom Herck gegenüber der liberalen Zeitung „Het Laatste Nieuws“ verlauten, er sei sich sehr wohl darüber bewusst, dass seine Arbeit „Spannungsfelder auftut“. Auf seiner Homepage heißt es dazu weniger vage, aber dafür in hochtrabender Soziologensprache: „Tom stellt die gesellschaftliche Rolle von Religion und (sozialen) Medien vor dem Hintergrund einer enttraditionalisierten und hoch individualisierten Gesellschaft in Frage.“
 
Bei modernen Künstlern, so auch bei Herck, wird die Sakralität der Religion und der schöpferische Humus der Tradition allzu oft durch ein fragwürdiges Ideal der Aufklärung als neue Leitlinie ersetzt. Dabei geht es vor allem ums Schockieren und Skandalisieren. Das Spiel aus Provokation, Aufmerk-samkeitsgewinn und der Gefahr heftiger Gegenreaktionen ist gutes Marketing für den Künstler und seine Kunstprodukte, die zu diesem Zweck oft politisch aufgeladen werden. Noch wirkungsvoller lässt dieser Gewinn sich ausschlachten, wenn moderne Opferkulte (etwa Minderheiten-, Tier- und Klimaschutz) damit verknüpft werden. Aber am wirkungsvollsten ist es, wenn der Künstler selbst sich als Opfer inszenieren kann, denn so wird das Ganze noch mit der Aura persönlicher Authentizität aufgeladen.  Es verwundert daher nicht, dass Tom Herck Sätze wie „Jemand hat mir gesagt, man hätte lieber mich gekreuzigt als die Kuh“ als ernstgemeinte Todesdrohung interpretiert. Herck könne die ganze Aufregung nicht nachvollziehen, denn bei der Kuh handele es sich um ein totes Tier, „das genausogut auf einem Teller hätte landen können – das ist doch absurd.“
 
Noch absurder muss für Herck dann wohl die Äußerung des Bürgermeisters von Borgloon klingen. Der sieht einen Zusammenhang zwischen der versuchten Brandstiftung an einer Kirche in der Nähe, die glücklicherweise rechtzeitig unterbunden werden konnte, und dem Kunstwerk. Es liegt nahe, dass die Ehrfurcht vor sakralen Räumen auf fatale Weise abnimmt, wenn eine gekreuzigte Kuh in einer Kirche die Grundaussage des Christentums in blasphemische Lächerlichkeit zieht – den Kreuzestod Jesu Christi stellvertretend für die menschliche Erlösung aus dem Leid.

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